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Der Start war zäh, aber so langsam geht es mit den Impfungen voran. Inzwischen zählt Deutschland rund 22 Prozent Erstgeimpfte, sieben Prozent der Bevölkerung ist vollständig geimpft. Die Impfungen gelten als wichtige Waffe gegen das Coronavirus. Denn sind genügend Menschen gegen das Virus immun, dann, so die Hoffnung, wird das Leben wieder so, wie wir es vor Corona kannten.
Israel macht vor, wie das aussehen kann. Kaum ein anderes Land impft schneller, die Impfquote liegt bei knapp 58 Prozent. Bereits im Februar wagte man dort erste Schritte in Richtung Normalität, inzwischen wurde sogar die Maskenpflicht im Freien aufgehoben. Und: Die Zahl der Neuinfektionen ist beständig niedrig. Zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 10,6. Seit Mitte Januar verzeichnet das Land 98 Prozent weniger Infektionen, 93 Prozent weniger schwere Verläufe und auch die Todeszahlen gingen um 87 Prozent zurück.
Das Robert Koch-Institut (RKI) geht in einem Bericht davon aus, dass von vollständig Geimpften kaum noch eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kündigte daraufhin bereits Lockerungen für Geimpfte an. Doch auch Geimpfte sind nicht zu 100 Prozent vor einer Corona-Infektion gefeit und das sie andere mit dem Virus anstecken, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen – ein Überblick.
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Wie gut schützen die Corona-Impfstoffe?
In Studien zeigten die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe eine hohe Schutzwirkung.
- Biontech/Pfizer: Wirksamkeit von 95 Prozent
- Moderna: schützt zu 90 Prozent vor einer Corona-Erkrankung, zu 95 Prozent vor einem schweren Verlauf
- Astrazeneca: schützt laut Hersteller zu 76 Prozent vor einer symptomatischen Infektion, zu 100 Prozent gegen schwere Verläufe
- Johnson&Johnson: Die Europäische Arzneimittelagentur gibt die Wirksamkeit mit 67 Prozent an, vor schweren Erkrankung schützt der Impfstoff zu mehr als 85 Prozent
Mit Ausnahme des Vektorimpfstoffs von Johnson&Johnson entfalten die Impfstoffe ihre volle Schutzwirkung erst nach der zweiten Impfung. Wichtig für eine starke Immunantwort ist auch, dass der empfohlene zeitliche Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung eingehalten wird. Denn durch die zeitgerechte Verabreichung wird die Wahrscheinlichkeit eines Umgehen einer Immunantwort (Immunescape) und das Entstehen von Virusmutanten (Ecapemutanten) verringert, erläutert das Robert Koch-Institut.
Können sich auch Geimpfte mit Sars-COV-2 infizieren?
Ja, das ist möglich. Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe senken das Risiko einer Sars-COV-2-Infektion, zwar in "erheblichem Maße", schreibt das RKI, einen hundertprozentigen Schutz bieten die Impfstoffe aber nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen trotz vollständiger Impfung infizieren, der PCR-Test positiv ausfalle, sei "niedrig, aber nicht Null". Das Robert Koch-Institut geht aufgrund der Datenlage aber davon aus, dass die Viruslast bei infizierten Geimpften "signifikant reduziert wird" und auch weniger lange anhält.
So wurde beispielsweise bei einer Studie des Israel Institute of Technology bei Menschen, die sich nach einer Impfung infizierten, eine deutlich geringere Viruslast festgestellt. Zwölf bis 28 Tage nach der Impfung mit dem mRNA-Vakzin von Biontech wiesen sie eine vierfach niedrigere Viruslast auf als ungeimpfte Personen.
Ähnliches berichten Experten aus den USA. Rochelle Walensky, Direktorin der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC), erklärte in der "Today-Show", dass die Daten zunehmend daraufhin deuten, dass ein Drittel derjenigen, die sich trotz Impfung infizieren, überhaupt keine Symptome aufweisen und "viele von ihnen haben so wenig Virus, dass sie nicht auf andere übertragen können".
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Laut RKI ist nach aktuellem Stand davon auszugehen, "dass die verfügbaren Impfstoffe auch gegen die neuen Linien wirksam sind". Die Impfstoffe induzieren sowohl neutralisierende Antikörper als auch eine Immunität der T-Zellen gegen viele unterschiedliche Bereiche des Oberflächenproteins (Spike-Protein) des Coronavirus. Daher hätten einzelne Mutationen in der Regel keinen sehr großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe, so das RKI.
In Bezug auf die in Deutschland inzwischen vorherrschende Corona-Variante B.1.1.7 schätzt das RKI die "Auswirkungen auf die Effektivität der Impfstoffe als gering bis mäßig" ein. Sollte sich herausstellen, dass die Wirksamkeit gegen die Mutationen, die in Deutschland im Umlauf sind, erheblich absinkt, sei es den Herstellern möglich, die Vakzine binnen weniger Wochen anzupassen.
Können Geimpfte andere mit dem Virus anstecken?
Auch das ist möglich. Denn in Summe sei zwar das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert, es müsse aber davon ausgegangen werden, dass "einige Menschen" trotz Impfung "infektiöse Viren ausscheiden", so das RKI. Denn damit das Virus überhaupt nicht mehr in den Körper gelangt, sich in den Atemwegen festsetzt, wäre eine sogenannte "sterile Immunität" nötig. In Bezug auf Sars-COV-2 ist es unwahrscheinlich, dass diese erreicht wird.
Auch wenn Menschen weniger Virus im Körper tragen und das auch nicht so lange wie Ungeimpfte, besteht die Möglichkeit, dass sie andere anstecken können. Aufgrund der Datenlage geht das RKI aber davon aus, dass "Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen". In einem Bericht an das Bundesgesundheitsministerium von Anfang April schrieb das Robert Koch-Institut: "Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen."
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Wie lange hält der Impfschutz?
Da erst seit wenigen Monaten gegen Sars-COV-2 geimpft wird, ist noch nicht komplett geklärt, wie lange der Schutz anhält. Derzeit gehen Experten davon aus, dass Geimpfte mindestens sechs Monate lang geschützt sind. Möglich ist, dass ähnlich Auffrischimpfungen nötig werden.
Özlem Türeci, Mitgründerin des Mainzer Biotech-Unternehmens Biontech, sagte am Mittwoch im Gespräch mit dem US-Fernsehsender CNBC, dass Menschen wahrscheinlich eine dritte Dosis des Corona-Impfstoffs benötigen werden. "Wir sehen dieses Nachlassen der Immunantworten auch bei Menschen, die gerade erst infiziert waren, und wir erwarten es auch mit dem Impfstoff", sagte sie. Auch regelmäßige Impfungen, wie bei Grippeimpfungen, könnten eventuell nötig werden. Pfizer-Chef Albert Bourla hatte sich bereits ähnlich geäußert.
Zum Vergleich: Auch durch eine durchgemachte Corona-Infektion entwickeln Menschen eine Immunität gegen Sars-COV-2. Wie lange der Schutz anhält und wie gut er ist, das versuchen Wissenschaftler derzeit herauszufinden. Bei einer Studie, die in Dänemark durchgeführt wurde, stellten Forscher fest, dass Menschen, die bereits eine Corona-Infektion durchgestanden haben, in Folge zu 80 Prozent vor einer wiederholten Infektion geschützt waren. Bei Menschen über 65 Jahren allerdings traf das bei nur 47 Prozent zu. Epidemiologe Steen Ethelberg, Mitautor der Studie: "Eine Neuansteckung mit Covid-19 ist bei jungen, gesunden Menschen selten, für Ältere besteht aber ein höheres Risiko, sich noch mal anzustecken".
Sind Geimpfte von den Corona-Maßnahmen befreit?
Jein. Schon bald, kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn an, sollen Geimpfte sich über mehr Freiheiten freuen können. "Wer vollständig geimpft wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde", sagte er der "Bild am Sonntag" schon an Ostern. Sie müssen dann, so der Plan, auch nicht mehr in Quarantäne. Umgesetzt werden sollen die Lockerungen allerdings erst, wenn die dritte Pandemiewelle überstanden ist. Dafür gibt es bekanntlich noch kein Enddatum.
Zumal die Zahl der Menschen die wegen eines schweren Corona-Verlaufs intensivmedizinisch behandelt werden müssen, derzeit mit knapp 5000 wieder hoch ist, jetzt zunehmend auch Jüngere schwer erkranken. Dem zum Trotz haben einige Bundesländer bereits die Maßnahmen für Geimpfte gelockert – allerdings uneinheitlich. So können Geimpfte in manchen Bundesländern bereits ohne Nachweis eines negativen Testergebnisses wieder shoppen gehen oder zum Frisör.
Um sich und vor allem andere zu schützen und um das Risiko einer Übertragung zusätzlich zu reduzieren, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), sollten aber auch Geimpfte weiterhin Masken tragen, Abstand wahren, Hygieneregeln einhalten und regelmäßig lüften.
Wann kommt der digitale Impfausweis?
Die EU-Kommission plant bis zum 1. Juni einen digitalen europäischen Immunitätsausweis, ein sogenanntes grünes Zertifikat, einzuführen, mit dem touristische Reisen im Sommer möglich sein sollen. Erfasst werden sollen Angaben zu Impfungen, aktuelle Testergebnisse und Informationen zu bereits überstandenen Corona-Infektionen. Deutschland plant den Impfpass in die digitale Patientenakte zu integrieren. Welche möglichen Vorteile der Nachweis mit sich bringen wird, darüber herrscht noch keine Einigkeit. Das Zertifikat solle aber keinesfalls, so der Kommissionsvizepäsident Margaritis Schinas, "Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein". Die Entscheidung darüber, was mit dem Nachweis möglich ist und was nicht, obliegt den einzelnen Staaten.
Israel hat bereits im Januar den sogenannten "Grünen Pass" eingeführt für alle, die gegen das Coronavirus geimpft sind oder eine Covid-19 Erkrankung bereits durchgemacht habe. Der Pass ist unter anderem die Eintrittskarte in Restaurants, Fitnessstudios, Museen. Auch Übernachtungen in Hotels sind für alle möglich, die den Pass vorlegen können.
Quellen: RKI, Impfdashboard, Forbes, dpa
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