Entgegen der weit verbreiteten Annahme sind Frauen neuen Hinweisen zufolge nicht generell besser beim Multitasking als Männer. Forscher um Patricia Hirsch von der RWTH Aachen hatten 48 Frauen und ebensoviele Männer Zahlen- und Buchstabentests machen lassen. Das Ergebnis: Mussten sie zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen, arbeiteten beide Geschlechter langsamer und ungenauer. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern war nicht feststellbar, schreibt die Gruppe in der Fachzeitschrift „Plos One“.
In ihrer Untersuchung ließ die Gruppe um Hirsch ihre Probanden auf einem Bildschirm erscheinende Buchstaben als Vokale oder Konsonanten identifizieren. Eine zweite Aufgabe bestand darin, Zahlen als gerade oder ungerade zu bestimmen. Bei einigen Tests mussten sie die zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen, bei anderen schnell von einer auf die andere Aufgabe umschalten.
Vorurteil widerlegt
„Unsere Ergebnisse bestätigen nicht das weit verbreitete Vorurteil, dass Frauen im Multitasking besser seien als Männer“, schreiben die Forscher. Zumindest nicht bei den gemachten Tests, die exemplarisch für bestimmte Herausforderungen stehen.
Hirsch nennt für die getesteten Fähigkeiten drei Beispiele aus dem Alltag:
Die Forscher schränken aber auch ein: „Die aktuelle Studie lässt keine Rückschlüsse auf Geschlechterunterschiede in anderen Multitasking-Situationen zu.“ Sie weisen darauf hin, dass ältere Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien. In einigen Fällen seien keine Unterschiede festgestellt worden, manchmal schnitten die Frauen besser ab, in anderen Untersuchungen die Männer. Dass einige Studien Geschlechterunterschiede nahelegen, könne an den gestellten Aufgaben liegen, schreiben die Aachener Forscherinnen. Denn kein einzelnes Experiment könne alle Formen von Multitasking und die dafür nötigen kognitiven Fähigkeiten testen.
Frauen sind die besseren Multitasker? „Völlig unsinnig“
Der an der Studie nicht beteiligte Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich geht – ähnlich wie Hirsch und ihr Team – davon aus, dass Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Multitasking gering beziehungsweise gar nicht vorhanden sind.
Ein solcher Unterschied würde auch keiner evolutionären Logik folgen. „Es gibt keinen genetischen, ultimativen Sinn dahinter, zu vermuten, dass die Homo-Sapiens-Frau vor 150.000 Jahren grundsätzlich besser für Multitasking vorprogrammiert worden sein soll als ein Mann. Das ist völlig unsinnig“, sagt Jäncke.
„Multitasking ist etwas, das wir Menschen ausgesprochen schlecht können.“ Unser Gehirn sei dafür gemacht, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, sagt Jäncke. „Sie müssen irrelevante Informationen unterdrücken, um das relevante Zeug da durch zu lassen.“
Ein generelles Problem von älteren Gender-Studies sei, dass gern über signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen berichtet wurde, wenn solche zufällig entdeckt wurden, sagt Jäncke. Förderten Studien hingegen keinen Unterschied zutage, seien sie oft nicht publiziert worden.
Gefährlicher Mythos
Für Frauen könnte der Mythos von den besseren Mutitaskern auch negative Konsequenzen haben, warnt die Soziologin Leah Ruppanner bei „The Conversation“. Frauen werden ihrer Ansicht nach mit verschiedensten Aufgaben bombardiert, weil viele Menschen annehmen, sie könnten die Aufgaben auch besser bewältigen: Sie müssen beruflich Erfolg haben, Kinder erziehen, bei den Hausaufgaben helfen und den Haushalt schmeißen. Es sei daher wichtig, derartige Mythen wissenschaftlich zu hinterfragen – und für eine bessere Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern zu sorgen.
„Von Frauen wird aufgrund des Multitasking-Mythos erwartet, dass sie alles leisten können“, so Leah Ruppanner. „Diese Verpflichtung kann sich jedoch auf die psychische Gesundheit von Frauen und ihre Fähigkeit auswirken, bei der Arbeit Hervorragendes zu leisten.“
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